Dabei seit 7639 Tagen Letztes Update: 2006-01-12 17:27
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Kikujirôs Sommer.
astrogirl, 21:20h
Die Ferien haben begonnen.
Für den kleinen Masao (Sekiguchi Yôsuke) ist das allerdings alles andere als ein Grund zur Freude. Denn während seine Freunde in den Urlaub fahren und sein Fußballverein Sommerpause macht, muß er daheim bei seiner Großmutter bleiben, die den ganzen Tag über arbeitet. Sein Vater ist gestorben, seine Mutter kennt er nur von einem Foto, und anstatt nur jeden Tag das Wetter in sein Tagebuch einzutragen, weil es einfach nichts aufregenderes zu berichten gibt, beschließt der verschwiegene und etwas trübsinnige Masao, die Ferien für die Suche nach seiner Mutter zu nutzen. Auf eigene Faust, versteht sich, denn seine Oma hat sich in der Hinsicht bislang als keine große Hilfe erwiesen.
Weit kommt er nicht. Eine Straßengang hat es auf sein Erspartes abgesehen, doch er bekommt unerwartet Hilfe von einer Freundin seiner Großmutter (Kishimoto Kayoko), die gerade mit ihrem Mann vorbeikommt. Als sie erfahren, daß Masao sich ganz alleine auf den Weg nach Toyohashi machen will, um seine Mutter zu finden, beschließt die Frau, den Jungen der Obhut ihres Mannes zu überlassen, drückt ihnen 50.000 Yen in die Hand und schickt sie gemeinsam auf den Weg.
Der Mann (Takeshi Kitano), dessen Name sich einiges später als Kikujirô herausstellt, ist ein "Taugenichts". Die 50.000 Yen hat er schnell auf der nächsten Rennbahn verspielt. Er nimmt Masao das Taschengeld weg, um es zu verwetten. Ein Zufallstip des Jungen bringt ihnen einen Menge Geld ein, abends wird ausgelassen gefeiert, Kikujirô überschüttet Masao mit Geschenken. Da die Glückssträhne am nächsten Tag nicht anhält, ist er sauer, geht vom letzten Geld essen, läßt den Jungen vor dem Restaurant stehen. Dort wird Masao von dem "beängstigenden Mann" aufgegabelt, der ihm verspricht, ihn zu seiner Mutter zu bringen, ihn dann aber in eine dunkle Ecke des Parks lockt. Kikujirô kommt im letzten Augenblick hinzu, schickt den Mann mit schlagenden Argumenten ins Reich der Träume und macht sich mit Masao, einsichtig und ein wenig reuig, endlich auf die Reise nach Toyohashi.
Ihr Weg ist gepflastert mit skurrilen Geschehnissen: Trockenschwimmen, Steinwurfübungen, Trampen für Anfänger, eine Stippvisite der Yakuza. Sie treffen einen angehenden Schriftsteller, einen sensiblen Biker, ein kleines Engelchen und... Masaos Mutter?
Folgendes ließ sich zum Film auf Office Kitano finden (frei übersetzt):
Die Dreharbeiten "Die Dreharbeiten dauerten etwa zwei Monate, vom 19.7. bis zum 25.9.1998. Nach dem Zeitplan sollte jede Woche eine Sequenz beendet werden. Trotz der Konditionen, mit denen die japanische Filmbranche gesegnet ist, brachten diese Dreharbeiten auch einige Probleme mit sich.
Trotz des schlechten Wetters, mit dem alle zu kämpfen hatte, liefen die Schauspieler immer wieder zu Höchstformen auf. Die Szene, in der Kikujirô und Masao die Rennbahn besuchen und Masao den Gewinn macht, wurde zwar innen gedreht, aber draußen hatte es schon von morgens an geregnet. Bis die Produktionscrew eintraf und die verschiedenen Spotlights und Maschinerien bereit waren, machten wir uns schon einmal warm, bevor wir mit dem Drehen beginnen konnten. Als wir uns eingespielt hatten, rutschten sogar Masao, also Sekigushi Yôsuke-kun, improvisierte Sprüche raus, und obwohl die Leitung und die Crew das Lachen nicht unterdrücken konnten, war die Szene 'ab und OK!'.
Während der Hauptteiles wurde das Wetter wunderbar sonnig, und an einem solchen Sommertag wurde der letzte Frame geschossen.
(...) In nächtelanger anschließender Nachbearbeitung erhielt das Werk den letzten Schliff. Das Endergebnis war, wie zu erwarten, ein sehr faszinierender Film."
Über den Titel "Kikujirô no natsu" "Die Hauptfigur, also Kikujirô, wurde nach dem Vater von Kitano selbst benannt. Aus der Sicht des jungen Kitano schien es ihm, als sei 'die Familie immer plötzlich ganz verschlossen, wenn der Vater da war', aber irgendwann kam er zu dem Schluß, daß er 'einfach nur sehr einsam' war. 'Aber solche Gedanken kann man ja nicht taktvoll formulieren.'
Und weil er mit seiner Familie eben aus diesem Grunde nie sehr erfreuliche Sommerferien verbrachte - verbringen konnte - nahm er seinen Vater als Vorbild und Namensgeber für den unbeholfenen und schüchternen Kikujirô.
So ist die Zeit, die Masao im Film mit seinem Begleiter verbringt, zur Hälfte die Erinnerung an ferne Sommertage mit dem Vater und zur Hälfte eine Realisierung des Traumes, wie es damals hätte sein sollen."
Das Engelsglöckchen "Nach "Hana-Bi" und "Kids Return" erschien auch in "Kikujirô no natsu" wieder das Engelchen. Als Vorlage für den Glasengel dienten die Figuren der Bilder, die von Kitano gemalt wurden. Das kühle Design spiegelt in gewisser Weise die Schönheit des Werkes wider.
Übrigens, Kitano selbst hat eine wahre "Engel-Manie"! In dem Raum, der ihm als Atelier dient, hat er eine Ecke, die vollgestellt ist mit den verschiedensten Engel-Produkten.
Kitano selbst sagt über den Film: "Nach Hana-Bi konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß meine Filme mit Stereotypen belegt wurden: Gangster, Gewalt, Leben und Tod. Es wurde schwieriger für mich, mich mit ihnen zu identifizieren. Deshalb hatte ich mich entschieden, einen Film zu machen, den niemand von mir erwarten würde. Um die Wahrheit zu sagen, die Geschichte des Films gehört zu einem Genre, das außerhalb meiner Spezialgebiete liegt. Aber ich wollte diesen Film machen, weil es eine Herausforderung für mich sein würde, dieser einfachen Geschichte Herr zu werden und sie durch meine Regie zu meiner ganz eigenen Geschichte zu machen. Ich habe dabei sehr viel mit den Bildern herumexperimentiert. Ich glaube letztendlich ist ein sehr seltsamer Film geworden, der die Erwartungen der Leute in positiver Weise überrascht."
"Kikujirô" war einer der erfrischendsten Filme, die ich je gesehen habe. Besonders, wenn man Kitanos Stil kennt, regt der Film in mehr als einer Hinsicht zum Schmunzeln an. So sehr man in vielen, vielen Details die Handschrift Kitanos erkennen kann, so fehlen doch ein paar Elemente, die man aus seinen anderen Filmen kennt, und das macht ihn in Kitanos Schaffensreihe wohl einzigartig.
Ruhig und reflektiv wie "Hana-Bi", aber gewaltfrei; vom zynischen Unterton aus "Dolls" kaum etwas zu entdecken; humorvoll, aber mit weitaus mehr Niveau als "Minna yatteru ka"; herzlich wie "Kids Return", aber nicht so langatmig. Kurz gesagt: Wer Kitanos Filme mag, kommt hier voll auf seine Kosten, und wer ihn nicht kennt, sollte die Chance nutzen und ihn hierüber kennenlernen.
Aber einen Hinweis sollte ich euch mit auf den Weg geben: Wenn ihr die Möglichkeit habt, den Film im OT mit Untertiteln zu sehen, so tut das, und laßt um Himmels Willen die Finger von der deutschen Synchronisation!
Japan 1999
Originaltiel: 菊次郎の夏 (kikujirô no natsu)
Laufzeit: 121 min.
Buch & Regie: Takeshi Kitano
Produktion: Masayuki Mori, Takio Yoshida
Musik: Jô Hisaishi
Darsteller: Takeshi Kitano, Kayoko Kishimoto, Yôsuke Sekiguchi u.a.
FSK: ab 12
Montag, 9. Februar 2004, 21:20, von astrogirl |
|comment
dalaimoc,
Mittwoch, 18. Februar 2004, 09:31
Warum kommentiert das niemand?
Dann eben ich...
einer meiner absoluten Lieblingsfilme, unvergleichlich und einfach nur schön (mir fällt gerade kein anderes Wort ein)
Ein wunderbarer Film; eigentlich kann ich, auch nachdem ich ihn sicherlich zehn Mal gesehen habe, nichts negatives daran finden. Außer vielleicht, daß einem das Klavierthema "Summer" von Hisaishi dann doch irgendwann einmal auf den Keks geht.
Aber "Hana-Bi" ist trotzdem immer noch mein All-time-favorite =)
nur von Takeshi Kitano, oder überhaupt? Bei TK habe ich einfach bisher 3 Filme bei denen ich mich nicht entscheiden kann: Der von dir favorisierte "Hana-Bi", dann "Kikujirôs Sommer" und "Brother". Aber all all Time da kann ich im Moment nur "Lost In Translation" sagen.( "Lip my stockings!" "No! No Mistel Hallis! Let me go!") :-)
In den letzten Wochen immerhin 6x gesehen ;-) und natürlich "My Sassy Girl".
See ya, Dalaimoc
Schwere Frage. Da TK sowieso schon mein All-time-favorite bei den Regisseuren ist, hat sich die Frage nie so wirklich gestellt.
Klar gibt es zwischendrin immer Filme, die ich mal zeitweise besser finde... "Sympathy for Mr Vengeance" wäre das z.B. im Moment. Aber dauerhaft betrachtet... doch doch, das wäre "Hana-Bi".
"Lost in Translation" habe ich immer noch nicht gesehen *argh* Ich komme im Moment zu (fast) gar nichts mehr...
Und daß "My sassy girl" für die meisten Leute, die sich auch nur ein bißchen im asiatischen Kino umgetan haben, meist ein absoluter Favorit ist, ist ja auch nichts neues :-) Nur habe ich ihn mittlerweile, glaube ich, fünfmal gesehen und werde mir mit jedem Mal der etwas unnötigen Längen zum Ende hin mehr bewußt...